Das wiederentdeckte Porzellanwunder aus Meißen

Lutz Walther, Verein Lößnitzer Heimatfreunde

Die Stadt Lößnitz im Erzgebirge war über 30 Jahre die Heimat eines der größten Kunstwerke aus Porzellan. Im „Hotel Bahnschlößchen“, später „Fremdenhof Bergschlößchen“ konnte man das „Kleinste Porzellanservice der Welt“ bestaunen. Es gehörte Georg Grundig, dem Besitzer des Hotels.

Leider ist dieses markante Gebäude und Zeugnis des früheren Hotel-und Gastronomiegewerbes 2007 der Abrissbirne zum Opfer gefallen.
 

  

 

 

 

Abb.1 und 2
Links das „Hotel Bahnschlößchen“ in Lößnitz in seiner Blütezeit, rechts das „Rudererheim Elbschlößchen“ in Meißen

 

Georg Grundig wurde am 21.April 1896 in Meißen geboren. Er war von Beruf Konditor und seine berühmten Quarkspitzen und Mohnzöpfe waren auch später im Bahnschlößchen der Renner. Bis 1929 war er Pächter des „Rudererheim Elbschlößchen“ in Meißen. Wegen des häufigen Hochwassers der Elbe siedelte er 1929 mit seiner Familie nach Lößnitz um und brachte das „Kleine Porzellanwunder“, welches er 1928 erworben hatte, mit.

Otto Kretschmar sen., war der Schöpfer des Kunstwerkes. Zwischen 1911 und 1913 haben er und zwei Kunstmaler in 21 Monaten, täglich mindesten 10 Stunden, das Kunstwerk geschaffen. Es wurden insgesamt 96.000 Einzelteile gefertigt, wovon nur 700 als brauchbar angesehen werden konnten, um daraus die zum Service gehörenden 142 Teile zu bestimmen.

  

  

Abb. 3 und 4
Im Foto links sind die Größenverhältnisse zu bestaunen, rechts Werbung aus den 1930-er Jahren

 

Als Modell diente ein in der Königlichen Porzellan- Manufaktur Meissen seinerzeit für den König von Italien angefertigtes Porzellanservice. Die Arbeiten stellten große technische Anforderungen. So musste die Porzellanmasse besonders präpariert werden, es wurden chemische Zusätze beigegeben, welche die Masse formfähig und zum Brennen geeignet machten. Trotzdem kam es beim Bearbeiten oft zum Reißen oder Zerbrechen der Teile, wenn diese durch die Handwärme spröde wurden. Anfangs gab es noch weitere Probleme. als es fast unmöglich schien, die Hohlkörper zu fertigen.

Aber auch das gelang schließlich. So wurde zum Beispiel die Schnauze einer Kaffeekanne mit einem Frauenhaar abgeschnitten, mit einem Instrument ausgeholt und wieder angesetzt.

Und mit einem aus einer Stahlnadel gefertigten Messer wurden Durchbrüche gemacht. Zum Brennen wurde extra ein Miniaturofen geschaffen.

Eine weitere Meisterleistung waren die beweglichen Teile, wie die Deckel auf den Krügen oder Kannen.

Wenn man bedenkt, daß die Vorlage zehnmal so groß ist wie das Kunstwerk, dann kann man diese Leistung nicht hoch genug einschätzen.

 

 

  
 

Abb. 5 und 6
Im Bild links sieht man noch einmal die Größenverhältnisse, rechts Georg Grundig mit Sohn Karl und Tochter Ingeburg.

 

Das Zubehör umfasste zwei ovale Tische, einen runden Stegtisch, 36 Stühle und zwei Kredenzen. An dem Gesamtkunstwerk arbeiteten insgesamt 10 Handwerker. Es waren

drei Porzellankünstler, zwei Holzbildhauermeister, ein Kunstmaler, ein Goldschmied, ein Drechsler, ein Kunsttischler und ein Mann für die winzigen Kaffeelöffel. Diese stiftete die Fa. Aug. Wellner Söhne, Aue i. Sa.

Das „Kleinste Porzellanservice der Welt“ war in Lößnitz ab 1929 im Bahnschlößchen in der ersten Etage in einem dafür bestimmten Raum ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich. Aber nicht nur in Lößnitz war das „Kleinste Porzellanservice“ zu bestaunen. Georg Grundig ging mit seinem Kunstwerk auch auf Reisen in verschiedene größere Städte Deutschlands und auch in das Ausland, so z. B. nach Frankreich. Er nutzte die Reisen auch als Werbung für sein Hotel, so daß Familien aus allen Teilen Deutschlands in die Sommerfrische nach Lößnitz in das Bahnschlößchen kamen. Heute würde man sagen, er hat es gut vermarktet und bestimmt auch einen ordentlichen Nebenverdienst erzielt.

Auf seinen Reisen begleiteten ihn sogenannte Vorführdamen. Diese präsentierten dann, in einheitliche Kleider mit Zwiebelmuster gehüllt, das Service zu den Ausstellungen.

Eine kunstvoll gefertigte Holzvitrine, aus 1473 Holzteilchen zusammengesetzt, wurde eigens für die Ausstellungen gefertigt. Diese Vitrine befindet sich heute im Privatbesitz eines Antiquitätenhändlers.

 
 
             
 

Abb. 7 und 8
Die kunstvoll gefertigte Holzvitrine, rechts ein so genanntes „ Vorführkleid“, welches zu seiner Zeit auch gern als Faschingskostüm getragen wurde

 

Als 1945 die russische Besatzungsmacht zusammen mit dem kommunistischen Bürgermeister Friedrich das gesamte Inventar und Mobiliar, auch das Privateigentum, beschlagnahmten, suchten sie vergeblich nach dem Porzellanservice, da dieses vorher in ein sicheres Versteck verbracht wurde.

Georg Grundig starb im Alter von 62 Jahren am 27. Januar 1959 nach einer Augen- OP im Auer Krankenhaus. Ende der 1960er Jahre wurde das kleine Meißner Kunstwerk über mehrere Jahre verteilt nach Westdeutschland zu einem Sohn eines bekannten Lößnitzer Unternehmers geschmuggelt. Es wurde als Kinderspielzeug in Form von Puppenstuben-inventar deklariert. Erst als es komplett außer Landes war, hat die damalige Staatsmacht gemerkt, was da über die Grenze gelangt war. Heute befindet sich das Meißner Kunstwerk, dass auch Lößnitzer Heimatgeschichte geschrieben hat, in Remshalden in der Nähe von Stuttgart im dortigen Museum für Alt-Meißner Porzellan, welches von Herrn Kurt Krocken-berger 1990 eröffnet wurde. Es ist somit wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und zu bewundern.
 
Quellen: Werbeschriften von Georg Grundig von 1936 und der neuen Besitzer in Baden-Württemberg sowie mündliche Überlieferungen von Zeitzeugen.

  

Bedanken möchte sich der Verfasser bei Frau Dorothea Kuhnt in Hohndorf, Frau Erika Rabenstein geb. Grundig in Pirna, Herrn Steffen Förster, wissenschaftl. MA Stadtmuseum Meißen, Herrn Dieter Keil in Lommatzsch, Herrn Kurt Krockenberger in Remshalden, Frau Annelie Schönfelder in Lößnitz sowie den Heimatfreunden Bernd Männel und Hans Mühlberg für die Zuarbeit und freundliche Unterstützung.

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